Empfehlungen zum Lebensstil – aber richtig

Anaerobe Anstrengung ist oft nicht sinnvoll. Und manchmal sollte es eher um die Verhältnisse als um das Verhalten gehen

BERLIN.  Um Empfehlungen zu ­Änderungen des Lebensstils ging es im Symposium „Vergessene ­Therapiesäulen“. Wichtig: genau hinschauen, die richtigen Tipps geben.

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Ein wichtige Aspekt wird bei Empfehlungen zum Lebensstil oft übersehen, wie Prof. Dr. Bernhard Schwaab, Timmendorfer Strand, erläuterte: „Für insulinresistente Personen ist aerobe körperliche Aktivität die einzige Möglichkeit, insulinunabhängig Glukose aus dem Plasma in die Zelle zu transportieren.“ Durch die Ausschüttung von glukotropen Hormonen führe ein anaerobes Training bei ihnen zu erhöhten Blutzuckerwerten. „Die Patientinnen und Patienten quälen sich, während ihr Zucker in die Höhe geht. Deswegen ist es so wichtig, dass diese Menschen aerob unterwegs sind.“ 

Aufgrund der interindividuellen Variabilität und unzureichenden Evaluierung lasse sich keine optimale aerobe Trainingsintensität empfehlen. Bei manchen Menschen mit Typ-2-Dia­betes (und koronarer Herzkrankheit) sei die aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit deutlich reduziert und liege nur bei rund 30 Watt. Ein spiroergome­trisch gesteuertes Ausdauertraining kann Hyperglykämien durch zu hohe Trainingsintensität vermeiden, erklärte der Kardiologe und Sportmediziner. Beim dynamischen Krafttraining (Kraft-Ausdauer-Training) laute die Devise: vorsichtig beginnen, langsam steigern, keine Pressatmung. 

Und: Die Menschen mit Diabetes sollten sich die Art der Bewegung selbst aussuchen. „Hauptsache, sie bewegen ihre Muskulatur.“ Falsch sei es, denjenigen, die nach einer ersten Trainingseinheit hohe Blutzuckerwerte aufweisen, zu sagen, dass sie sich „halt mehr bewegen“ müssten. 

Verzahnung von Prävention und Verhaltenstherapie
Die S3-Leitlinie zur Therapie und Prävention der Adipositas ist gespickt mit Begriffen wie „Verhaltenstherapie“ und „-modifikationen“. Um den Betroffenen gerecht zu werden, sieht Dipl.-Psych. Susanne Baulig aus Mainz genug Ansatzpunkte für eine Kurzzeittherapie. Da Adipositas keine psychische Diagnose ist, könne nicht ohne Weiteres eine Psychotherapie erfolgen. Manchmal sei eine Komorbidität die Eintrittskarte – am häufigsten eine Depression oder eine Binge-Eating-Störung. Die Mainzerin kritisierte, dass die Lebensumwelt durch zu hohe Preise für gesunde Lebensmittel und Werbung für Ungesundes bestimmt werde. Städte seien so geplant, dass man sich nicht gerne draußen bewege. Sie wünscht sich eine von Gesellschaft, Politik und DDG auf den Weg gebrachte, sinnvolle Verhältnisprävention – und dann eine individuelle Verzahnung mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen.

Dr. Karin Kreuel

Diabetes Kongress 2023