Individuelles Wohlbefinden messbar machen

Wie erhebt man die Lebensqualität von Menschen mit Adipositas?

BERLIN.  Lange wurde Gesundheit vor allem mit Laborwerten und Gesundheitsdaten im Normbereich beschrieben. Doch mittlerweile ist auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HrQoL) ein anerkanntes Konzept. 

Overweight woman having consultation at doctor's office during medical examination in clinic.
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Bei HrQoL „handelt es sich um ein multidimensionales Kon­strukt, welches das subjektive Wohlbefinden oder die Funktionsfähigkeit des Patienten in verschiedenen Dimensionen anzeigen soll“, erklärte Dr. Clarissa Schulze zur Wiesch vom Universitären Adipositas-Centrum Hamburg-Eppendorf. Diese sind neben der generellen Gesundheitsperzeption auch die physische, psychische und soziale Gesundheit. Für die Erhebung werden allgemeine ebenso wie krankheitsspezifische Messinstrumente genutzt. 

Adipositas wirkt sich physisch und psychisch aus 
Die Expertin erläuterte am Beispiel des international standardisierten Fragebogens SF-36 eines der allgemeinen Messinstrumente. Hierbei wird eine körperliche und eine psychische Summenskala gebildet. „Es ist nicht verwunderlich, dass Adipositas mit einer schlechteren Lebensqualität einhergeht.“ So habe eine Metaanalyse mit acht Querschnittsstudien unter Anwendung des FS-36 (oder Teilen davon) gezeigt, dass die physische Lebensqualität mit steigendem BMI sinkt. Bei der psychischen Lebensqualität ist das anders: „Erst ab einem BMI von 40 kg/m² kommt es zu einer signifikanten Verschlechterung.“ 

Als spezifisches Messinstrument im Bereich Adipositas stellte sie den Fragebogen IWQOL-Lite vor. Er fokussiert auf Beweglichkeit, Selbstvertrauen, sexuelle Beziehungen sowie Probleme in der Öffentlichkeit und Arbeit. Für adipöse Kinder und Jugendliche gibt es den IWQOL-Kids mit den Bereichen Beweglichkeit, Selbstvertrauen, Sozialleben und Beziehung innerhalb der Familie. Wie Dr. Schulze zur Wiesch berichtete, sind aktuell zwei DiGA im Bereich der Adipositas-Therapie zugelassen. Eine ist die Abnehm-App Zanadio, bei der sich nach zwölf Monaten signifikante Verbesserungen in drei von vier Lebensqualität-Dimensionen zeigten. Für eine moderne medikamentöse Adipositastherapie (GLP1-Analoga), aber auch die duale GIP-/GLP1-Therapie gebe es ebenfalls den Nachweis der Verbesserung der Lebensqualität, insbesondere im physischen Bereich (IWQOL-Lite). Für die bariatrische Chirurgie hätten die wenigen Studien eine bessere physische Lebensqualität gezeigt – allerdings mit Verschlechterung im Langzeitverlauf. „In Bezug auf die psychische Lebensqualität sind die Ergebnisse nach vorübergehender Verbesserung im Langzeitverlauf allerdings divergent.“

Dr. Karin Kreuel

Diabetes Kongress 2023