Let’s talk about sex!

Viele Frauen mit Diabetes haben sexuelle Probleme, reden aber nicht darüber

Chicago. Sieben von zehn Frauen mit Diabetes erleben sexuelle Funktionsstörungen. Die meisten sprechen das Thema nicht an, wünschen sich aber, dass der Arzt die Initiative ergreift.

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Die Prävalenz weiblicher sexueller Funktionsstörungen (female sexual dysfunction, FSD) erreicht je nach Studie bis zu 71 %. Frauen mit Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes sind praktisch gleich häufig betroffen. Bei rund 70 % liegt auch der Anteil derer, die gerne mit dem Arzt über ihre sexuellen Probleme sprechen würden. Drei Viertel möchten, dass der Arzt das Gespräch anstößt, berichtete Professor Dr. Alice Y. Cheng, Universität Toronto. Ärzte müssten lernen, wie man mit Frauen über ihre Sexualität spricht. Sachliche, aber empathische Fragen wie „Sind Sie sexuell aktiv? Gibt es da etwas, worüber Sie reden möchten?“ können das Gespräch bahnen.

Es gibt viele Wege, auf denen der Dia­betes den Frauen das Sexualleben verleiden kann. Arteriosklerose und Neuropathie können die Durchblutung und das Empfinden des Genitales stören, Blutzuckerspitzen fördern Hefepilzinfektionen.

Manche Frauen haben Angst vor Hypoglykämien beim Sex
Manche Frauen fühlen sich nicht wohl in ihrem Körper – und das Arzt-Patienten-Gespräch über die Notwendigkeit, Gewicht abzunehmen, tut das Seine dazu. Andere fürchten Hypoglykämien beim Sex. Depression und Angst als häufige Begleiter des Diabetes verhindern Lust. Auch Medikamente oder Begleiterkrankungen kommen als Ursache infrage.

Wenn die Symptome länger als sechs Monate bestehen und – wichtig – die Frau selbst sie als belastend empfindet, kann die Diagnose FSD gestellt werden. Aus der Vielfalt der Ursachen ergeben sich unterschiedliche Therapieoptionen. Am Anfang gilt es zu prüfen, ob beeinflussbare Faktoren darunter sind. Bei Angst vor Hypoglykämien etwa lässt sich die antidiabetische Therapie modifizieren, bei Depressionen hilft vielleicht eine Psychotherapie.

Pharmakologisch kann man den Frauen Wirkstoffe anbieten, die Lust und sexuelle Erregung fördern, so Prof. Cheng. Endocannabinoide, Prolaktin, Serotonin und endogene Opioide können das sexuelle Verlangen hemmen.

Gegenspieler der Lustkiller aktivieren
Im zentralen Nervensystem agieren diverse Gegenspieler dieser Störenfriede, z.B. Melanocortin, Dopamin, Noradrenalin und Oxytocin, vor allem aber Sexualhormone, insbesondere Testosteron. Daraus hat man pharmakologische Ansätze entwickelt:

  • Flibanserin wirkt an verschiedenen Serotoninrezeptoren und soll das Ansprechen auf sexuelle Reize fördern. Studienergebnisse waren gemischt. Der Wirkstoff ist in Europa nicht zugelassen, in den USA mit Warnhinweisen und nur für Frauen vor der Menopause.
  • Auch der Melanocortin-Agonist Bremelanotid ist nur in den USA für Frauen in der Prämenopause zugelassen. Er wird subkutan per Pen appliziert und braucht mindestens 45 Minuten bis zum Wirkeintritt. Die Studienergebnisse fielen hier etwas konsistenter aus.
  • Eine Reihe von Wirkstoffen wird off label verordnet, berichtete Prof. Cheng. Viele davon stammen aus der antidepressiven Therapie wie Bupropion und Buspiron, die beide das sexuelle Verlangen fördern können. Allerdings können sie unerfreuliche und abschreckende Nebenwirkungen haben wie exzessives Schwitzen, Tremor, Hypotonien bis zur Synkope oder Übelkeit und Erbrechen.
  • Für postmenopausale Frauen wird Testosteron als Option diskutiert. Tatsächlich gilt die sexuelle Lustlosigkeit als einzige evidenzbasierte Indikation für eine Testosterongabe bei Frauen. In jedem Fall gilt es, Androgenexzesse zu vermeiden, indem vorher der Testosteronspiegel gemessen und unter Therapie kontrolliert wird. Das ist umso wichtiger, als es keine explizit für Frauen bestimmten Testosteronpräparate gibt.

Insgesamt ist die FSD sicher nicht Domäne der Pharmakotherapie, meinte Prof. Cheng. Arzneimittel können nur im Kontext von Aufklärung, Sexualtherapie sowie Modifikation von Risikofaktoren und Begleiterkrankungen einen Beitrag leisten.

Manuela Arand

8oth Scientific Sessions der ADA