Metaboliten-Profile aus dem Kernspin

Depressionsgene erhöhen das Risiko für Typ-2-Diabetes

HAMBURG.  Viele Menschen mit Diabetes entwickeln im Laufe der Zeit eine Depression. Umgekehrt treten im Zusammenhang mit ungünstigen Stoffwechselparametern auch häufiger psychische Erkrankungen auf. Ein chinesisches Team hat den Zusammenhang nun mithilfe von NMR-Spektroskopie und Mendel’scher Randomisierung untersucht. 

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Depression ist eine häufige psychische Erkrankung und durch Antriebslosigkeit, Traurigkeit, Schlafstörungen sowie fehlende Lebensfreude gekennzeichnet. „Sie ist weltweit die Erkrankung mit dem höchsten Verlust an Lebensjahren infolge von Krankheit“, betonte Dr. Ningjian Wang von der Jiao Tong Universität in Shanghai. Gleichzeitig ist auch Typ-2-Diabetes auf dem Vormarsch: „Bis zum Jahr 2045 könnte China die weltweit größte Population an Menschen mit Typ-2-Diabetes aufweisen.“ 

Im Rahmen von Beobachtungsstudien werde bereits seit Langem auf den Zusammenhang zwischen Depression und Typ-2-Diabetes hingewiesen. Allerdings seien die zugrunde liegenden Mechanismen noch nicht belegt, erklärte der Referent. Man wisse allerdings, dass Depression verschiedene Zwischen- oder Endprodukte des Stoffwechsels beeinflussen kann. Umgekehrt gebe es Metaboliten – darunter BCAA (verzweigtkettige Aminosäuren) Hexosen, Phospholipide und Triglyceride, die mit einem Risiko für Typ-2-Diabetes assoziiert sind. 

Biomarker geben Hinweise auf die Zusammenhänge
Mithilfe von Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie) und Mendel’scher Randomisierung kommt man der Frage nach der Kausalität hingegen näher. Hiermit lassen sich Biomarker identifizieren, die sowohl bei Depression als auch bei Typ-2-Diabetes auftreten. Zusammen mit seinem Team nahm Dr. Wang Daten aus der UK Biobank unter die Lupe, die zwischen 2006 und 2010 Plasmaproben von rund 500.000 erwachsenen Briten untersucht hatte. Dabei identifizierten die Forschenden mithilfe einer prospektiven Kohortenstudie 91 Metaboliten, die mit Depression,  und 157 Metaboliten, die mit Typ-2-Diabetes assoziiert waren. „Insgesamt waren 85 mittels Kernspinresonanzspektroskopie untersuchten Metaboliten signifikant sowohl mit Depression als auch Typ-2-Diabetes verknüpft“, erklärte Dr. Wang. Hierbei handelte es sich unter anderem um Lipoprotein-Lipide wie Cholesterin, Phospholipide oder Triglyzeride, aber auch Fettsäuren, Choline und kleinmolekulare Metaboliten wie Ketonkörper oder Aminosäuren.

Das Modell wurde u. a. für Alter, Geschlecht, Ethnizität, Bildung, Body-Mass-Index, Blutdruck, Rauchstatus, körperliche Aktivität, Ernährung, Familienanamnese von Diabetes und Medikation adjustiert. Nachdem sie diese 85 Metaboliten wiederum einer Mendel’schen Randomisierungsstudie unterzogen hatten, konnten Dr. Wang und sein Team zwölf Metaboliten ausmachen, die kausal mit Depression und Typ-2-Diabetes assoziiert waren. „Das Vorliegen einer Depression trug zu einem erhöhten Risiko für einen Typ-2-Diabetes bei“, erklärte der Forscher.

Hoffnung auf Entwicklung zielgerichteter Interventionen
Seine Hoffnung: „Wenn wir mithilfe von Gendiagnostik, Analyse von Biomarkern und Untersuchungen des Lebensstils den kausalen Zusammenhang zwischen Depression und metabolischer Dysfunktion besser verstehen, können wir zielgerichtete Interventionen entwickeln, welche die zugrunde liegenden Stoffwechselprozesse adressieren, die sowohl zum Auftreten von Typ-2-Diabetes als auch von Depression führen.“ Dies könnte die Entwicklung personalisierter Therapien erleichtern, die auf das jeweilige metabolische Profil und die Symptome von Menschen mit Depression zugeschnitten werden.

Antje Thiel

EASD 2023