Was verbessert die Therapie des Typ-2-Diabetes?

Studien zeigen, wie sich (neue) Medikamente und CGM auswirken

MAINZ.  Die kontinuierliche Glukosemessung (GCM) kann auch beim Typ-2-Diabetes sehr vorteilhaft sein. Die deutsche Versorgungsrealität entspricht noch nicht dem aktuellen Wissensstand in Bezug auf hochwirksame, risikomindernde Antidiabetika. 

S Amelie Walter – stock.adobe.com

 

Die Fachgesellschaften ADA und EASD haben im Herbst 2022 ihre Konsensus-Empfehlung zur antihyperglykämischen Therapie des Typ-2-Diabetes (T2DM) erneut aktualisiert und ergänzt.1 Diese Neufassung geht detaillierter auf das Gewichtsmanagement und diverse Strategien zur Gewichtsreduktion ein, erläuterte Professor Dr. Andreas Hamann, Hochtaunus-Kliniken Bad Homburg. Außerdem betont die Konsensus-Empfehlung erstmals die positiven Effekte von gesundem Schlaf. 

Im Hinblick auf die medikamentöse Therapie gibt es ebenfalls neuere Erkenntnisse, wie zur Datenlage für Tirzepatid als erstem zugelassenen dualen Rezeptor-Antagonisten für GLP und GLP1. „In diesem Konsensus-Papier wird die Datenlage zu den organprotektiven Effekten von GLP1-RA und SGLT2-Inhibitoren in den verschiedenen Risikokollektiven umfassend dargestellt. Neben den Therapiestrategien für kardiovaskuläre und renale Hochrisikopatienten stehen nunmehr ein auf die Glukosesenkung und ein weiterer auf das Gewichtsmanagement ausgerichteter Therapiepfad.“

Kardiovaskuläre Risikoreduktion durch SGLT2-Inhibitoren 
Für Menschen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko wird gemäß aktueller Leitlinien vorzugsweise der Einsatz von SGLT2-Inhibitoren oder GLP1-RA empfohlen. Aufgrund der Multimorbidität der betroffenen Personen sollte dabei eine Differenzierung vor der Entscheidung für eine dieser Wirkstoffklassen erfolgen: Wie hoch ist das Risiko für MACE (Major Adverse Cardiovascular Event)? Besteht ein Risiko für Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz (HHF)? Für renale Komplikationen? 

In einer Untersuchung wurden drei kardiovaskuläre Outcome-Studien (SAVOR, DECLARE und EMPA-REG) daraufhin untersucht, ob und wie gut einzelne Risikoscores für MACE die diversen Risiken abbilden können.2 „Beide untersuchten Risiko-Scores zeigten mit zunehmendem kardiovaskulärem Risiko eine stärkere Zunahme von HHF relativ zu MACE“, erläutere Prof. Hamann. „Die größere kardiovaskuläre Risikoreduktion durch SGLT2-Inhibitoren gilt somit offenbar auch bei Betroffenen mit dem höchsten MACE-Risiko, nicht nur bei jenen mit dem höchsten HHF-Risiko.“ 

Nach Ansicht von Prof. Hamann positioniert sich die aktuell in Deutschland gültige Nationale VersorgungsLeitlinie im Gegensatz zum ADA-/EASD-Konsensus-Report nicht konsequent genug. Das veranschaulichte er anhand von Metaanalysedaten, die im Januar 2023 online publiziert wurden.3 Diese basieren auf 20 randomisierten klinischen Studien mit 11.843 Menschen mit T2DM und direkten Vergleichen von lang und kurz wirksamen GLP1-RA, Tirzepatid und/oder Basalinsulin. 

Inkretinbasierte, injizierbare Substanzen führten gegenüber Basalinsulin zu einer um 0,48 Prozentpunkte stärkeren Reduktion des HbA1c-Wertes (95%-KI 0,45–0,52). Die HbA1c-Senkungen waren ausgeprägter bei lang wirksamen GLP1-RA und Tirzepatid, wohingegen kurz wirksame GLP1-RA eine ähnliche Effektivität aufwiesen wie Basalinsulin. Das Körpergewicht sank unter GLP1-RA versus Basalinsulin um durchschnittlich 4,6 kg (95%-KI -4,7 bis -4,4 kg), unter Tirzepatid sogar um 12,0 kg (95%-KI -13,8 bis -10,1 kg). Hypoglykämien traten unter inkretinbasierter Medikation im geringeren Maße auf als unter Basalinsulin (p < 0,0001). Auch auf Blutdruck und Serumlipide wurden unter GLP1- und dualen RA signifikant günstigere Effekte dokumentiert. 

Für Prof. Hamann sind die Ergebnisse dieser Metaanalyse so bedeutsam, dass er den Vorzug von (lang wirksamen) GLP1-RA bzw. zukünftig von dualen GIP/GLP1-RA (Tirzepatid) vor Basalinsulin als gerechtfertigt ansieht. Die deutsche Versorgungsrealität sei davon jedoch noch weit entfernt. 

CGM vorteilhaft bei Typ-2-Diabetes
Prof. Hamann ging in seinem Vortrag auch auf die neuesten Entwicklungen bezüglich der CGM beim T2DM ein. Insulintherapien sind bei T2DM mit erhöhten akuten Komplikationsraten assoziiert, insbesondere mit schweren Hypoglykämien und diabetischen Ketoazidosen. Eine aktuelle Untersuchung mit 5.933 Patient*innen unter Therapie mit BOT oder nur Basalinsulin spricht für weniger Hospitalisierungen unter isCGM-Versorgung: Während die Hospitalisierungsrate im Jahr vor der kontinuierlichen Glukosemessung noch bei 2,01 % lag, sank diese auf 0,75 % im ersten Jahr und auf 0,60 % im zweiten Jahr mit isCGM.4

Eine randomisierte, offene, kontrollierte Studie (IMMEDIATE) mit 116 Patient*innen ohne Insulintherapie, aber unter mindestens einem Antidiabetikum zeigte nach 16 Wochen signifikante Vorteile für isCGM mit Schulung gegenüber nur Schulung: niedrigerer HbA1c und niedrige TaR sowie höhere TiR.5 Die aktuellen Real-World-Daten von 711 Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes aus Schweden sprechen ebenfalls für den Benefit der isCGM, denn bei mit isCGM versorgten Personen war das HbA1c nach sechs Monaten im Mittel um 0,50 % und nach 12 Monaten um 0,52 % gesunken.6 

Anders als beim Typ-1-Diabetes ist der Nutzen von Fully-Closed-Loop-Systemen beim T2DM noch nicht hinreichend belegt. In einer offenen, randomisierten Cross-over-Studie durchliefen Menschen mit T2DM jeweils zwei achtwöchige Phasen, in denen die Therapie mit einer Fully-Closed-Loop-App mit Insulinpumpe und rtCGM versus einer üblichen Insulintherapie verglichen wurde, unterbrochen von einer zwei- bis vierwöchigen Auswaschphase. 

Signifikante Verbesserungen unter Closed-Loop-Therapie
Teil nahmen 36 Männer und Frauen  im mittleren Alter von 59 Jahren mit einem mittleren HbA1c von 9,0 %. Während der Kontrolltherapie-Phase wurde ein rtCGM ohne Ablesemöglichkeit genutzt, bei Fortsetzung der bisherigen Insulintherapie mit SMBG. Unter der Closed-Loop-Therapie zeigten sich jeweils signifikante Verbesserungen für TiR, TaR, den mittleren Glukosespiegel und den HbA1c-Wert (versus Kontrollphase).7 Für Prof. Hamann stellt sich daher die Frage, ob AID-Systeme vielleicht die Zukunft der Insulintherapie beim T2DM sein könnten. „Zumindest diese Gruppe von Patienten mit deutlich erhöhtem HbA1c hat profitiert, wobei die HbA1c-Senkung nicht mit einer erhöhten Rate an Hypoglykämien einherging.“ 

Ähnliches ergab eine kleine Multicenter-Studie. Darin wurde der Effekt von acht Wochen AID-Einsatz bei 24 Erwachsenen mit T2DM (nach zweiwöchiger CGM-Vorphase) getestet, die mit Basis-Bolus-Insulin- oder alleiniger Basalinsulintherapie vorbehandelt waren. Die im Mittel 61-jährigen Proband*innen hatten seit durchschnittlich 19 Jahren die Diagnose T2DM und wiesen einen mittleren HbA1c-Wert von 9,4 % auf. Bei Patient*innen mit vorheriger Basis-Bolus-Insulintherapie als auch bei jenen mit vorheriger Basalinsulintherapie sanken TaR (-17,0 % bzw. -25,9 %) und HbA1c deutlich (-1,2 % bzw. -1,4 %), während die TiR anstieg (+17,8 % bzw. +26,1 %). Somit waren stärkere Verbesserungen bei alleiniger Vortherapie mit Basalinsulin festzustellen, ohne vermehrtes Auftreten von Hypoglykämien. Bei der im hypoglykämischen Bereich verbrachten Zeit (TbR) traten nur leichte Veränderungen auf (-0,27 % bzw. +0,01 %). Bemerkenswert war die Veränderung bei der Insulindosis: Während die Verbesserungen in der Basis-Bolus-Gruppe mit einer um -29,3 IE eingesparten Insulinmenge einhergingen, erhielten Patient*innen in der Basalinsulin-Gruppe nun 11,5 IE mehr.8 

Dr. Karin Kreuel

Diabetes-Update 2023 

Literatur:

1. Davies MJ et al. Diabetologia 2022; 65 (12): 1925-1966; doi: 10.1007/s00125-022-05787-213 
2. Sacre JW et al. Diabetes Care 2022; 45 (8): 1900-1906; doi: 10.2337/dc21-1929 
3. Nauck MA et al. Diabetes Obes Metab 2023; 25 (5): 1361-1371; doi: 10.1111/dom.14988 
4. Guerci B et al. Diabetes Technol Ther 2023; 25 (1): 20-30; doi: 10.1089/dia.2022.0271 
5. Aronson R et al. Diabetes Obes Metab 2023; 25 (4): 1024-1031; doi: 10.1111/dom.14949 
6. Eeg-Olofsson K Diab Vasc Dis Res 2023; 20 (1): 14791641211067418; doi: 10.1177/14791641211067418 
7. Daly AB et al. Nat Med 2023 (1); 29: 203-208; doi: 10.1038/s41591-022-02144-z 
8. Davis GM. Diabetes Care 2023; 46 (4): 742-750; doi: 10.2337/dc22-1915