Diabetes früher entdecken – aber wie?

Britische Studie zeigt relevanten Zeitgewinn durch ein Screening auf Typ-2-Diabetes

Exeter.  Inwieweit lässt sich die Zeit bis zur Diabetesdiagnose durch ein HbA1c-Screening bei Erwachsenen jenseits der 40 verkürzen? Dieser Frage ging eine britische Arbeitsgruppe in einer bevölkerungsbasierten Analyse nach.

iHumnoi – stock.adobe.com
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Um die Früherkennung des Typ-2-Diabetes zu verbessern, werden verschiedene Screening-Strategien propagiert: Die American Diabetes Association (ADA) empfiehlt heute ein regelmäßiges Screening für alle Erwachsenen über 35 Jahre. In England dagegen wird eine Hochrisikostrategie favorisiert, die Personen zwischen 40 und 74 Jahren erfasst. Ob so oder so gelöst, es fehlt an robusten Daten, die den Benefit des Screenings fassbar machen. 

Bevölkerungsbasierte Daten, die eine britische Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Katherine G. Young vom Exeter Centre of Excellence in Diabetes analysiert hat, liefern jetzt für das in England empfohlene Vorgehen belastbare Zahlen. Es handelt sich laut den Autor*innen um die erste bevölkerungsbasierte Analyse dieser Art.

Bei Frauen dauert es länger bis zur Diagnose
Weibliches Geschlecht sowie ein relativ niedriges Körpergewicht waren mit besonders langen Zeiträumen bis zur Diagnose verknüpft. Die Hazard Ratio (HR) für männliches Geschlecht betrug 1,12. Die HR für einen Body-Mass-Index ≥ 30 kg/m2 lag bei 1,25. Außerdem dauerte es umso länger, bis die Diagnose gestellt wurde, je näher die HbA1c-Werte zu Studienbeginn am diagnostischen Schwellenwert angesiedelt waren. Starke HbA1c-Normabweichungen wurden dagegen im Rahmen der Routineversorgung schneller erkannt und im Sinne eines manifesten Diabetes interpretiert. 

Ihre Untersuchung stützen die Forschenden auf Daten der UK Biobank-Kohorte, die mehr als 500.000 Erwachsene im Alter zwischen 40 und 70 Jahren umfasst. Diese wurden zwischen 2006 und 2010 für die UK Biobank-Studie rekrutiert und über zwölf Jahre hinweg nachverfolgt. Bei allen Studienteilnehmern wurde zu Beginn der HbA1c-Wert bestimmt, ohne dass jedoch das Ergebnis den Proband*innen oder ihren Ärzt*innen mitgeteilt wurde. 

Wann wird die Diagnose in der Regelversorgung gestellt? 
Die Arbeitsgruppe um Dr. Young interessierte sich speziell für die Subpopulation mit zu Beginn erhöhten HbA1c-Werten (≥ 48 mmol/mol (≥ 6,5 %)), bei denen bislang kein Diabetes diagnostiziert worden war. Anhand dieser Subgruppe mit nachweislich schon bestehendem Diabetes konnten die Wissenschaftler*innen prospektiv verfolgen, wie lange die Diagnosestellung im Rahmen der Routineversorgung dauert und wie viel Zeit sich durch ein gezieltes HbA1c-Screening gewinnen lässt. 

Bei 1 % der Studienteilnehmenden (n = 1.703), deren HbA1c-Werte eingangs der Langzeitstudie die Kriterien eines Diabetes mellitus erfüllten, war bislang keine Diabetesdiagnose gestellt worden. Im Schnitt lagen die HbA1c-Werte in dieser Subpopulation zu Studienbeginn bei 51,3 mmol/mol (IQR 49,1–57,2) bzw. 6,8 % (IQR 6,6–7,4). Im Laufe des zwölfjährigen Follow-ups wurde der Typ-2-Diabetes bei 87,7 % dieser Menschen im Rahmen der Routineversorgung diagnostiziert. Bis zur Diagnosestellung vergingen im Schnitt 2,2 Jahre, die man durch ein gezieltes Screening hätte gewinnen können. Der HbA1c-Wert lag zum Diagnosezeitpunkt bei im Mittel 58,2 mmol/mol (IQR 51,0–80,0) bzw 7,5 % (IQR 6,8–9,5).

Ulrike Viegener

Literatur:
Young KG et al. Diabetologia 2023; 66: 300-309; doi: 10.1007/s00125-022-05824-0