Auf das Bauchfett kommt es an

Remission bei Prädiabetes ist möglich

TÜBINGEN.  Der Abbau von viszeralem Fett kann bei Menschen mit Prädiabetes die Insulinsensitivität entscheidend verbessern und zu einer Stoffwechselnormalisierung führen. Wenn es gelingt, Betroffene in Remission zu bringen, lässt sich das Risiko eines manifesten Typ-2-Diabetes deutlich reduzieren. Das haben Forschende des Deutschen Zentrums für Diabetes­forschung (DZD) gezeigt.

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Die Wissenschaftler*innen am DZD führten eine Post-hoc-Analyse der Prediabetes Lifestyle Intervention Study (PLIS) durch, einer prospektiven randomisierten Studie, in der die physiologischen Mechanismen einer Remission bei Prädiabetes genauer unter die Lupe genommen wurden. 1.105 Personen wurden für die PLIS-Studie mit einjährigem Gewichtsreduktionsprogramm rekrutiert. In der aktuellen Analyse schaute man sich diejenigen 298 Studienteilnehmer*innen genauer an, denen es gelungen war, fünf Prozent oder mehr „abzuspecken“. Es zeigte sich, dass es in diesem Kollektiv mit Blick auf eine Remission der prädiabetischen Stoffwechselstörung sowohl Responder als auch Non-Responder gab. 

Bei den Respondern (43 %) hatten sich Nüchternblutzucker, Zwei-Stunden-Glukose und HbA1c-Wert innerhalb des zwölfmonatigen Untersuchungszeitraums normalisiert: Nüchternblutzucker unter 100 mg/dl (5,6 mmol/l), Zwei-Stunden-Glukose unter 140 mg/dl (7,8 mmol/l), HbA1c-Wert unter 5,7 %. Bei den Non-Respondern (57 %) normalisierten sich diese Werte trotz vergleichbarer Gewichtsreduktion nicht. Die Gewichtsreduktion im Vergleich: Bei Respondern nahm der BMI im Mittel von 32,4 kg/m2 auf 29,0 kg/m2 ab, bei Non-Respondern von 32,1 kg/m2 auf 29,2 kg/m2.

Unterschiede in der Sensitivität, nicht in der Sekretion
Die Detailanalyse zeigte: Die Insulinsensitivität ist offenbar entscheidend für die Antwort auf die Frage, ob es zu einer Remission kommt oder nicht. Die Insulinsensitivität hatte sich bei Respondern deutlich stärker verbessert als bei Non-Respondern: Sie lag bei Respondern zu Beginn im Mittel bei 291 ml/(min × m2)und nach 12 Monaten bei 378 ml/(min × m2), bei Non-Respondern dagegen verbesserte sich die Insulinempfindlichkeit in geringerem Ausmaß von 278 auf 323 ml/(min × m2). Die Insulinsekretion zeigte dagegen weder bei Respondern noch bei Non-Respondern im Verlauf der Studie eine Veränderung – dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Remission bei manifestem Typ-2-Diabetes (siehe Kasten).

Fettreduktion unter der Lupe
Erst seit einigen Jahren ist bekannt, dass sich ein manifester Typ-2-Diabetes bei manchen Menschen durch Gewichtsreduktion in Remission bringen lässt. Entscheidend ist dabei die Kapazität, die Insulinsekretion anzukurbeln, wobei die Reduktion des Fettgehalts von Leber und Pankreas eine wichtige Rolle spielt.
Ganz anders die Mechanismen, die bei einer Remission im Zustand des Prädiabetes zum Tragen kommen. Auch hier ist es vordergründig die Gewichtsreduktion, die den Erfolg bringt. Aber bei genauerem Hinsehen ist in dieser Situation nicht die gesteigerte Insulinsekretion, sondern die gesteigerte Insulinsensitivität durch Abbau von viszeralem Fettgewebe der entscheidende Aspekt.

Unterschiede beim viszeralen Fett, nicht beim Leberfett
Die weitere Nachforschung lenkte das Augenmerk der Forschenden auf das viszerale Fettgewebe: Re­sponder zeichneten sich dadurch aus, dass das Bauchfett bei ihnen deutlich stärker abgenommen hatte als bei Personen, deren Glukosewerte sich im Studienverlauf nicht normalisierten. Das passt angesichts der Bedeutung des viszeralen Fettgewebes für die Entwicklung einer diabetischen Stoffwechselstörung gut ins Bild. In puncto Leberfettabbau unterschieden sich die beiden Gruppen – überraschenderweise – nicht. 

Laut den neuen Daten sollte sich der Bauchumfang bei Frauen um mindestens 4 cm und bei Männern um mindestens 7 cm reduzieren – dann bestehen relevante Chancen für eine Remission des Prädiabetes. Dass sich eine entsprechende Intervention tatsächlich lohnt, sehen die Forschenmden als erwiesen an: Studienteilnehmer*innen in Remission hatten noch zwei Jahre später ein deutlich – um 73 % – erniedrigtes Risiko, einen manifesten Typ-2-Diabetes zu entwickeln, und auch mit Blick auf die Gefäß- und Nierengesundheit ließ sich ein Benefit verifizieren.

Ulrike Viegener

Literatur:
Sandforth A et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2023; 11: 798-810; doi: 10.1016/S2213-8587(23)00235-8