Stellungnahme

Stellungnahme zum IGEL-Monitor Stellenwert der HbA1c-Messung zur Früherkennung eines Typ-2-Diabetes

28.03.2022

Der IGEL-Monitor kommt zu dem Schluss, dass die derzeitige Studienlage keine evidenzbasierte Beurteilung des Nutzens oder Schadens durch ein Screening mittels HbA1c-Bestimmung zur Früherkennung eines Diabetes mellitus im Vergleich zu einem Screening mit alleiniger Messung der Nüchternplasmaglukose zulässt, da die Autoren keine relevanten Studien identifiziert haben, die dies belegen. Es wird ebenso konstatiert, dass sich aufgrund der fehlenden Studien der Nutzen oder Schaden des Screenings mit HbA1c-Bestimmung in Kombination mit der Nüchternplasmaglukosemessung zur Detektion eines Diabetes im Vergleich zu einem Screening mit alleiniger Nüchternplasmaglukose nicht ableiten lässt.
Die DDG sieht, wie andere Fachgesellschaften (s.u.) auch, allerdings durchaus einen eindeutigen Nutzen in der HbA1c-Bestimmung zur Früherkennung von Diabetes und verweist diesbezüglich auch auf ihre Praxisempfehlungen (1-3). In diesen empfiehlt sie ein Diabetesscreening bei vorhandenen Risikofaktoren wie u.a. Übergewicht, Verwandte ersten Grades mit Diabetes, Hypertonie, Dyslipidämie und nicht-alkoholischer Fettleber. Zusätzlich sollte den zu untersuchenden Personen ein standardisierter Selbsttest-Fragebogen ausgehändigt werden, der in Deutschland bezüglich der Identifizierung von Menschen mit erhöhtem Diabetes-Risiko evaluiert wurde (4). Ferner verweist die DDG auf eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) zur Check-up 35 Untersuchung, in der die folgende Empfehlung abgegeben wird (5):
"Die DGIM empfiehlt, im Rahmen des Check-up 35 strukturiert (entsprechend der jährlich aktualisierten Praxisempfehlungen der DDG) auf Risiken für eine diabetische Stoffwechsellage zu befragen und zu untersuchen. Bei vorhandenen Risikofaktoren sollten der HbA1c-Wert und die Glukose aus venösem Plasma bestimmt werden, um so früh wie möglich einen Diabetes mellitus zu erkennen und entsprechende Interventionen einzuleiten."
Im IGEL-Monitor wird die aktuelle Entwicklung der Diabetesinzidenz und die Problematik der hohen Dunkelziffer an Patienten mit einem unerkannten Typ-2-Diabetes in Deutschland nicht vollständig berücksichtigt und auch die Literatur, die zu den o.g. Empfehlungen geführt hat, nicht ausreichend zusammengestellt und gewürdigt. Jährlich erkranken mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland an Typ-2-Diabetes, die Dunkelziffer wird auf mindestens 2 Millionen geschätzt (6,7). Menschen mit Diabetes haben ein bis zu 2,6-faches Risiko für einen frühzeitigeren Tod im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes, wobei die Lebenserwartung im Durchschnitt um etwa vier bis sechs Jahre kürzer ist als bei gleichaltrigen Personen ohne Diabetes (8,9). Da sich ein Typ-2-Diabetes langsam – einhergehend mit einer gestörten Glukose-Toleranz – entwickelt, kann eine frühe
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Diagnosestellung bei asymptomatischen Patienten das kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko durch eine rechtzeitige Änderung des Lebensstils senken. Hierfür gibt es Evidenz (8). Die United States Preventive Services Task Force (USPSTF) empfiehlt ein populationsbasiertes Screening bei Menschen mit einem Alter zwischen 40-70 Jahren beschränkt auf übergewichtige (BMI >25 kg/m²) bzw. adipöse (BMI >30kg/m2) Menschen. Eine erneute Testung der Glukosetoleranz soll bei übergewichtigen Patienten mit normalen Glukose-Parametern nach 3 Jahren erfolgen (11). Die Amerikanische Diabetesgesellschaft (ADA) empfiehlt eine Testung Diabetes/Prädiabetes bei über 35-Jährigen mit einem BMI ≥25 kg/m² und einem oder mehr Risikofaktoren wie HbA1c ≥5,7%, Verwandten ersten Grades mit Diabetes, hohem ethnischen Risiko, anamnestisch Gestations-Diabetes, kardiovaskulärer Erkrankung, Bluthochdruck oder Dyslipidämie. Eine erneute Testung soll bei normwertigen Parametern nach 3 Jahren erfolgen (12). Die „Canadian Task Force on Preventive Health Care“ empfiehlt eine Feststellung des Diabetes-Risikos bei allen Erwachsenen in einem Zeitabstand von 3-5 Jahren mittels des FINRISK oder CANRISK Scores, ggf. dann Screening alle 3-5 Jahre mittel HbA1c-Bestimmung (≥ 6,5%) (13).
Die DDG plädiert aus oben genannten Gründen nachdrücklich für die hier geschilderte Vorgehensweise und die Bestimmung von Nüchternglukose und HbA1c als Screening-Parameter für die Diagnose eines Typ-2-Diabetes.