Per Nüchternglukose zum kardiovaskulären Risiko

Metaanalyse nimmt prädiktiven Wert unter die Lupe

Winston-Salem. In einer groß angelegten Metaanalyse gingen US-Wissenschaftler der Frage nach, inwieweit das absolute kardiovaskuläre Langzeitrisiko eine Abhängigkeit von der Nüchternglukose zeigt. Die Frage betrifft speziell auch erhöhte Nüchternwerte unterhalb des Diabeteslevels.

Unter anderem die Framingham-Studie hat gezeigt, dass eine prädiabetische Stoffwechsellage das Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen relativ erhöht. Zum absoluten Risiko lagen bislang keine Daten vor. Um diese Lücke zu schließen, wurden sieben US-amerikanische Beobachtungsstudien zu einem Pool mit Daten von fast 20 000 Individuen zusammengeführt.

Das kardiovaskuläre Risiko in Abhängigkeit von der Nüchternglukose
Mit Blick auf die Nüchternglukose wurde bei der Metaanalyse folgende Klassifikation vorgenommen:

  • weniger als 5,0 mmol/l;
  • 5,0–5,5 mmol/l;
  • 5,6–6,2 mmol/l;
  • 6,3–6,9 mmol/l;
  • mindestens 7,0 mmol/l (manifester Diabetes).

Sowohl Menschen mit normaler Nüchternglukose als auch Menschen mit – unterhalb der Diabetesschwelle – erhöhten Werten sowie Diabeteserkrankte waren im Pool vertreten. Alle Probanden wiesen bis zum 55. Lebensjahr als Indexalter keinerlei kardiovaskuläre Krankheitszeichen auf. Als kardiovaskuläre Erkrankung wurden KHK einschließlich Herzinfarkt sowie Schlaganfälle gewertet. Das kardiovaskuläre Risiko in Abhängigkeit von der Nüchternglukose wurde für ein Alter von 55 Jahren mittels modifizierter Kaplan-Meier-Überlebensanalyse geschätzt. Außerdem wurde untersucht, inwieweit sich Veränderungen der Nüchternglukose vor dem 50. Lebensjahr in einem veränderten kardiovaskulären Risiko niederschlagen.

Siginifikant erhöhte Werte und Geschlechterunterschiede
Die Ergebnisse: Das absolute Risiko, bis zum 85. Lebensjahr eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln, liegt laut der Metaanalyse für eine 55-jährige Frau

  • mit einer Nüchternglukose < 5,0 mmol/l bei 15,3 %,
  • mit einer Nüchternglukose zwischen 6,3 und 6,9 mmol/l bei 18,6 %,
  • mit manifestem Diabetes bei 38,6 %.

Die entsprechenden Risiken für Männer: 23,5 %, 31,0 % und 47,7 %.

Beim weiblichen Geschlecht war das kardiovaskuläre Risiko im Nüchternglukose-Bereich unterhalb der Diabetesgrenze im Vergleich zum Kollektiv mit Nüchternwerten < 5,0 mmol/l nicht signifikant erhöht. Männer mit Nüchternwerten zwischen 6,3 und 6,9 mmol/l hatten dagegen gegenüber der Referenzgruppe mit den niedrigsten Werten ein signifikant erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.

Zwei Messungen innerhalb von vier Jahren
Bei denjenigen Probanden, für die zwei Messungen der Nüchternglukose in vier Jahren vorlagen, erwiesen sich Anstiege unterhalb des Diabeteslevels als nicht relevant für das kardiovaskuläre Risiko. Die höchsten Risiken bestanden erwartungsgemäß, wenn beide Messwerte ? 7 mmol/l lagen (Frauen 57,2 %, Männer 55,5 %). War die Nüchternglukose bei der 1. Messung bereits erhöht und stieg bis zur 2. Messung auf Diabetesniveau an, wurde für Frauen ein Risiko von 35,7 % und für Männer von 38,0 % ermittelt. Erfolgte innerhalb von vier Jahren ein Sprung von normalen Werten über die 7 mmol/l-Marke hinaus, lagen die Risiken bei 25,5 % bzw. 42,8 %.

Ulrike Viegener
Bancks M et al. Diabetes Care 2019; 42: 457-465