Intelligente Insulinpumpe schaltet rechtzeitig ab

Suspend-before-low-Technologie kann Hypoglykämien verhindern

Mailand. Eine lange Diabetesdauer mit rezidivierenden Hypoglykämien sowie eine gestörte Hypoglykämiewahrnehmung erhöhen das Risiko für eine schwere Unterzuckerung. Diese Patienten können von Insulinpumpen mit integriertem kontinuierlichem Blutzuckermonitoring und vorausschauender Abschaltung profitieren, wie eine internationale Studie zeigt.

Die sogenannte „Suspend-before-low“-Technologie bewertet die Dynamik des kontinuierlich gemessenen Blutzuckerspiegels und zieht daraus Konsequenzen: Im Gegensatz zu älteren Insulinpumpenmodellen, die die Insulinzufuhr erst bei Unterschreiten eines voreingestellten unteren Grenzwerts stoppen, unterbricht bei den modernen Systemen ein Algorithmus die Insulinabgabe bereits dann, wenn sich die gemessene Blutzuckerkonzentration dem Grenzwert in einer bestimmten Art und Weise annähert.

Sicherheit und Effektivität in RCT überprüft
Professor Dr. Emanuele Bosi von der Universität Vita Salute San Raffaele in Mailand prüfte gemeinsam mit seinemTeam die Sicherheit und Effektivität dieses neuartigen Systems im Rahmen der randomisierten, kontrollierten SMILE-Studie.

Teilnehmer der in Kanada, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Großbritannien durchgeführten Studie waren 153 Typ-1-Diabetespatienten im Alter zwischen 24 und 75 Jahren, die seit mindestens zehn Jahren an der Glukosestoffwechselstörung erkrankt waren, einen HbA1c-Wert zwischen 5,8 und 10 % aufwiesen und seit mindestens sechs Monaten unter einer Insulinpumpentherapie standen. Alle Teilnehmenden hatten ein hohes Hypoglykämierisiko, da sie entweder gemäß Clark- bzw. Gold-Score eine gestörte Hypoglykämiewahrnehmung aufwiesen oder in den vorangegangenen zwölf Monaten eine schwere Unterzuckerung erlitten hatten.

Deutlich weniger schwere Hypoglykämien
Gemäß Randomisierung erfolgte bei etwa der Hälfte der Patienten die Blutzuckereinstellung über einen Zeitraum von sechs Monaten mithilfe einer Insulinpumpe mit kontinuierlichem Glukosemonitoring und Suspend-before-low-Technologie. Im Kontrollkollektiv kam ebenfalls eine Insulinpumpe zum Einsatz, die Patienten überwachten ihren Blutzucker jedoch selbstständig. Als primären Studienendpunkt definierten die Wissenschaftler die durchschnittliche Anzahl der vom Sensor gemeldeten Hypoglykämieepisoden (Blutzucker kleiner gleich 55 mg/dl). Ferner erfassten sie unter anderem die Häufigkeit schwerer Hypoglykämien (Hilfeleistung durch Dritte erforderlich).

Nach der sechsmonatigen Studienphase verzeichneten die Forscher im Kollektiv der mit einer Insulinpumpe mit vorausschauendem Insulinstopp behandelten Patienten im Vergleich zu den Kontrollen signifikant weniger Hypoglykämieereignisse pro Person pro Woche (1,1 vs. 4,1). Auch im Hinblick auf schwere Hypoglykämien erwies sich die Suspend-before-low-Technologie als überlegen (3 vs. 18 Ereignisse).

Ergebnisse sprechen für breiten Einsatz im Risikokollektiv
Im Vergleich zur konventionellen Insulinpumpentherapie, so das Fazit der Wissenschaftler, schützt die „intelligente“ Insulinpumpe mit kontinuierlichem Glukosemonitoring und vorausschauender Abschaltung Typ-1-Diabetespatienten mit hohem Risiko für eine Unterzuckerung besser vor Sensor-registrierten sowie schweren Hypoglykämieepisoden – und zwar am Tag und in der Nacht. Diese Ergebnisse sprechen ihrer Einschätzung zufolge für einen breiten Einsatz der modernen algorithmusbasierten Pumpensysteme im Risikokollektiv. Zukünftige Untersuchungen müssen die Qualität der Blutzuckereinstellung beleuchten.

Dr. Judith Lorenz
Bosi E et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2019; 7: 462-472

Das Nebenwirkungsprofil
Die am häufigsten beobachteten therapiebedingten Nebenwirkungen in der Interventions- und der Kontrollgruppe umfassten Hypoglykämien (5 vs. 13 %) sowie Hyperglykämien (jeweils 9 %). Schwere Komplikationen, Pumpendefekte oder diabetische Ketoazidosen traten in keinem Studienarm auf.

Scores für die Detektion einer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung
Gold-Score: Dem Patienten wird die Frage gestellt: „Erkennen Sie den Beginn einer Hypoglykämie“. Diese muss er mithilfe einer 7-Punkt-Likert-Skala beantworten. Dabei bedeutet 1 „wird immer wahrgenommen“ und 7 „wird nie wahrgenommen“. Ein Wert von größer gleich 4 weist auf eine gestörte Hypoglykämiewahrnehmung hin.
Clarke-Score: Der Clarke-Score umfasst acht Fragen, die sich auf hypoglykämische Episoden des Patienten beziehen. Zudem werden die persönliche glykämische Schwelle für eine Hypoglykämie und die individuellen Symptome erfragt. Ein Wert von größer gleich 4 weist auf eine gestörte Hypoglykämiewahrnehmung hin.