Genug Insulin und Teststreifen

Keine Lieferdefizite im Diabetesbereich wegen Corona

Berlin. Die Coronapandemie wirkt sich international auf Lieferketten aus. Das spüren Arzneimittelhersteller, Ärzte und Patienten. Im Diabetesbereich sind bisher glücklicherweise keine Versorgungsengpässe zu bemerken.

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Schon mehrfach waren Liefer­ausfälle Thema beim Jour fixe des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), zuletzt wegen der Coronapandemie. Von Engpässen betroffen sind u.a. das Schmerzmedikament Paracetamol, die Pneumokokken-Impfstoffe Pneumovax® 23 und Prevenar® 13 sowie hydroxychloroquinhaltige Arzneimittel, deren Anwendung außerhalb der zugelassenen Indikationen (u.a. rheumatoide Arthritis) eingeschränkt wurde.

Patienten sind besorgt, DDG und diabetesDE beruhigen
Die neue SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung vereinfacht zudem die Abgabe von Alternativpräparaten bei Lieferengpässen. So können Patienten ein vorrätiges, wirkstoffgleiches Alternativmedikament sofort bei Vorlage des Rezeptes in der Apotheke bekommen – ohne zusätzlichen Aufzahlungen. „Ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel in der Apotheke vorrätig und ist das abzugebende Arzneimittel auch nicht lieferbar, darf ein lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgegeben werden“, heißt es in der Verordnung, die spätestens am 30. September 2020 außer Kraft gesetzt wird. Ohne Rücksprache dürfen Apotheken von der ärztlichen Verordnung abweichen bezüglich Packungsgröße und -anzahl, der Entnahme von Teilmengen und – sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen – von der Wirkstärke.

Anfang Februar stand in chinesischen Werken großer Pharmakonzerne die Produktion still, weil viele Angestellte in Quarantäne waren. Auch viele Diabetespatienten machen sich derzeit Sorgen, ob es zu Versorgungsengpässen kommt. Das zeigte sich z.B. beim Sorgentelefon von DiabetesDE. Hier lautete eine Frage: „Ich benutze Insuman Rapid und Insuman Basal der Firma Sanofi. Ist die Lieferung weiterhin gesichert?“ Professor Dr. Henning Adamek verwies in seiner Antwort auf den Hersteller. Der hatte die Dia­betologen am 16. März 2020 informiert, dass sie „daran arbeiten, die Versorgung mit all unseren Medikamenten ... aufrechtzuerhalten. ... Das gilt auch für unsere Insulinproduktion am Standort Frankfurt.“

Patienten hätten keine Lieferengpässe zu befürchten, meldete auch die DDG im März. „Diabetesmedikamente wie Insulin werden vorwiegend in Deutschland, USA, Dänemark, Frankreich, Großbritannien – nicht jedoch China – hergestellt“, so die Präsidentin Professor Dr. Monika Kellerer. Auch künftig sei hier von keiner Medikamentenknappheit auszugehen.

Aufs Hamstern von Arzneien verzichten
Die Ärztliche Direktorin des Zen­trums für Innere Medizin I am Marienhospital in Stuttgart rät deshalb davon ab, Vorräte an Medikamenten und Diabetesutensilien, die über die Versorgung von einem Quartal hi­n­ausgehen, für den Eigengebrauch zu bevorraten. Gleiches betonte auch Dr. Jens Kröger, Diabetologe aus Hamburg und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes-Hilfe im Diabetes-Rageber: „Ich mache mir da überhaupt keine Sorgen. Wir haben in Deutschland ausreichend viele Insuline zur Verfügung, auch Teststreifen und Pumpen sind genug da.“

Das bestätigen auch Hersteller. „Wir erwarten derzeit keine Unterbrechung der Lieferkette für den Großteil des Portfolios angesichts starker Risikominimierungsmaßnahmen und Lagerbestände“, teilt beispielsweise das Unternehmen Novartis mit. Und Novo Nordisk erklärt: „Derzeit haben wir keine Lieferengpässe. Auf Situationen wie diese sind wir gut vorbereitet.“ Schließlich handele es sich um lebenswichtige Medikamente, auf die Patienten weltweit täglich angewiesen seien. „Wir können versichern, dass wir unsere Lagerbestände weiterhin auf normalem Niveau halten.“

Auf den Webseiten des BfArM sind Lieferengpässe benannt. Die Listen werden regelmäßig beim Jour fixe auf Aktualität geprüft und ggf. angepasst. Humaninsulin detemir, glargin, glulisin, human und lispro gelten hier als versorgungsrelevante Wirkstoffe. Engpässe sind nicht verzeichnet.

Versorgungsdefizit anderer Art: Patienten gehen nicht zum Arzt
Die DDG warnt derzeit vor Versorgungsengpässen anderer Art: die Unterversorgung von chronisch Kranken, die aus Angst vor Corona nicht mehr in die Praxen kommen. Eine umsichtige Rückkehr zu einer gewissen Normalität in der Patientenversorgung sei geboten.

„Liegt beispielsweise der HbA1c-Wert über einen längeren Zeitraum nur etwa zwei Prozentpunkte über dem Therapieziel, steigt das Risiko für Folgeerkrankungen erheblich an“, warnt Professor Dr. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der DDG. Umgekehrt stellten schwere Hypogly­k­ämien für Diabetespatienten eine unterschätzte akute Gefahr dar. Durch eine Ketoazidose könne der Betroffene ins Koma fallen.

Cornelia Kolbeck