Reizthema Kortison

Fehlendes Wissen befeuert Ressentiments gegen eine Therapie

Berlin. Synthetische Glukokortikoide eignen sich für eine Fülle an Indikationen und überzeugen durch hohe Effektivität. Allerdings genießen sie bei Patienten aufgrund diverser Nebenwirkungen nicht den besten Ruf. Gegen viele Bedenken lässt sich jedoch angehen – durch die Betroffenen selbst, aber auch durch deren Behandlungsteams.

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Trotz des unbestrittenen Nutzens in der Behandlung verschiedenster maligner und entzündlichen Erkrankungen stehen Patienten mit Glukokortiko­iden häufig auf Kriegsfuß. Verübeln kann man es ihnen nicht, kommt es doch vor allem unter längerer Anwendung zu Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Osteoporose oder gar Thrombosen. „Vieles davon lässt sich abmildern“, sagte Professor Dr. Stephan­ Petersenn­ von der ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg sowie Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Voraussetzung dafür sei ein gewisses Grundwissen über die Abläufe, die sowohl das körpereigene Hormon Cortisol als auch die ihm nachempfundenen künstlichen Substanzen wie Prednisolon oder Dexamethason im Körper anstoßen. Nur so könne man den ungünstigen Effekten entgegenwirken.

Während das Behandlungsteam dieses Wissen in aller Regel besitzt, erlebt es Prof. Petersenn sehr häufig, dass viele Betroffene weniger gut informiert seien – was ihre Bedenken gegenüber einer Kortisontherapie zusätzlich befeuert. Er plädierte mit Nachdruck dafür, Patienten entsprechend zu schulen.

Hintergrundwissen und Notfallpass gibt es auch online
Eine erste Anlaufstelle für sie und ihre Angehörigen kann z.B. das Netzwerk für Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen sein: Online unter www.glandula-online.de findet man unter anderem wertvolles Hintergrundwissen zu verschiedenen Erkrankungsbildern im Erwachsenen-, Kinder- und Jugendalter plus deren Therapien. Auch ein Notfallpass kann heruntergeladen, mit der eigenen Diagnose sowie Substitutionsdosen zu verordneten Präparaten versehen werden.

Selbstverständlich können und sollten Ärzte möglichen Nebenwirkungen der Kortisontherapie entgegenwirken. „Das Osteoporoserisiko lässt sich senken, indem man täglich 1000 Einheiten Vitamin D und ggf. zusätzliche knochenschützende Medikamenten gibt“, erklärte der Endokrinologe. Thrombosen könne man bei besonders gefährdeten Patienten mit einer klassischen Antikoagulation vorbeugen.

Hinweise, welche Nebenwirkungen bei der Behandlung mit Glukokortikoiden auftreten können, böten endokrinologische Krankheitsbilder mit einer unkontrollierten Erhöhung oder Verringerung des Cortisolspiegels. Ein Zuviel des Stresshormons, wie es etwa beim Cushing-Syndrom vorkommt, führe unter anderem zu dem von Patienten gefürchteten Aufschwemmen des Körpers. Gleichzeitig verlören sie an Muskelmasse.

Ein Mangel wiederum, beispielsweise durch eine geschwächte Nebennierenrinde, könne Leistungsverlust, Muskel- oder grippeähnliche Gelenkschmerzen, aber auch das Gefühl von Unterzuckerung zur Folge haben. „Diese mitunter drastischen Folgen lehren uns, Über- und Unterversorgung mit Glukokortikoiden im Rahmen einer Therapie frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls gegenzusteuern“, betonte Prof. Petersenn. Kortison und andere Kortikosteroide können den Blutzuckerspiegel erhöhen und eine Resistenz gegenüber Insulin fördern.

Betroffene schulen, schulen und nochmals schulen
Mit einem bestehenden Diabetes lauert unter einer Kortisontherapie die Gefahr von Stoffwechselveränderungen, vor allem bei einer längeren Behandlungsdauer. Auch eine einmalige sehr hohe Dosis kann zu Hyperglykämien führen, was die Bedeutung der von Prof. Petersenn angesprochenen Patientenschulungen unterstreicht. Für eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen diabetologisch und endokrinologisch arbeitenden Personen sprach sich auch DDG Präsident Professor Dr. Andreas­­ Neu­ von der Kinderklinik Tübingen aus. Natürlich kennen sich die Spezialisten beider Seiten nicht in dem Maße mit der jeweils anderen Disziplin aus. Im Sinne einer bestmöglichen Versorgung von Betroffenen begrüßte er daher die Worte Prof. Petersenns und plädierte gleichzeitig für Kontinuität und Erreichbarkeit der Behandlungseinrichtung für Patienten mit chronischen Erkrankung.

Maria Fett

Gemeinsame Pressekonferenz DDG und DGE