»Schön, Sie zu sehen!«

Was tun, wenn in der Videoschulung die Bildschirme schwarz bleiben?

Wiesbaden. Was Schulende tun können, um Patient*innen zur Mitarbeit anzuregen, unterscheidet sich nicht grundlegend zwischen Online- und Präsenzfortbildung. Und doch gibt es ein paar Tricks und Kniffe, die den Umgang mit dem Videoformat erleichtern.

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Ich dachte, jetzt blicken mir da fünf Leute entgegen, und stattdessen habe ich fünf schwarze Bildschirme gesehen.“ Diabetesberaterin Melanie Wiese aus Duisburg kennt die schwierigen Seiten der Videoschulung. „Es fängt doch schon an, wenn der Patient in der Praxis vor uns sitzt und nicht an einer Videoschulung teilnehmen möchte.“ Statt also bloß einzuladen mit den Worten: „Sie könnten ja auch online mitmachen“, riet die Referentin dazu, den Menschen die Vorteile des Formats deutlicher vor Augen zu führen, etwa die Teilnahme von zu Hause aus. Hilfreich könne es auch sein, vorher schon einmal eine Einzelberatung per Video stattfinden zu lassen, sagte Wiese. So könnten sich die Menschen im Vorfeld mit der Technik vertraut machen. „Auch viele ältere Patienten haben großes Interesse daran“, betonte sie.

Wenn die Videoschulung dann losgeht und man die Leute begrüßt: „Schön Sie zu sehen,“ kann es allerdings auch passieren, dass alle anderen Bildschirme schwarz bleiben. Für Melanie Wiese steht fest: „Wir sind die Profis, wir machen einfach weiter! Wir kennen das doch aus der Präsenzschulung: Keiner redet mit uns. Wir können zehn Fragen stellen und niemand antwortet uns.“

Nachdem vielleicht ein paar Leute doch die Kamera angemacht haben, startet die erste Stunde mit einer Vorstellungsrunde. Dafür verfolgt die Referentin online eine andere Strategie als sonst: Während sie im Präsenzkurs nicht auf die Tafel schreibt, was sie von den Patient*innen wissen möchte, und auch ihre Präsentation noch einen Moment auslässt, damit man sich gegenseitig ansieht und ins Gespräch kommt, findet sie es online sinnvoll, die Fragen aufzuschreiben, um zu Beginn Hemmungen abzubauen. Wiese rät: „Füllen Sie leere Seiten mit den Teilnehmern!“ Auch im Schulungsraum stünden sonst Materialien herum, die die Patient*innen ggf. neugierig machen, was als nächstes kommt.

Ähnlich könne online auch die leere Seite eines Boards auf die Teilnehmenden einladend wirken, ihre Erfahrungen mitzuteilen. Auch Inhalte wie Ernährung ließen sich so gut interaktiv gestalten.

Bewegung, frische Luft und eine Tasse Tee für die Pause
Wird gerade kein Whiteboard genutzt, kann es für die Schulenden irritierend sein, sich ständig in der eigenen Kachel selbst zu sehen, bemerkte Wiese. „Dann fange ich immer an, mich selbst daran zu erinnern, dass ich doch lächeln muss.“

An dieses ungewohnte Gefühl müsse man sich gewöhnen. In der Präsenzschulung lächele man automatisch. Und gerade da man bei der Onlineschulung nicht so viel von den Referent*innen sieht, machen die Tonlage und das Lächeln viel aus, bemerkte Wiese. Vor zu viel Bewegung vor dem Bildschirm hingegen, auch mit den Händen, warnte die Diabetesberaterin. Wichtig sei stattdessen, gerade zu Beginn noch mehr Fragen zu stellen als in der Präsenzschulung, um den Dialog zu fördern. Da das lange Stillsitzen vor dem Bildschirm anstrengend ist, macht Wiese nach etwa 45 Minuten gerne eine Pause, macht Bewegungsübungen mit den Teilnehmenden und bittet sie, kurz das Fenster zu öffnen oder ihren Tee aufzufüllen. Schon eine kurze Pause verbessere die Konzentration aller Beteiligten.

Gibt es technische Probleme, ist die Devise der Referentin: Ruhe bewahren. „Fliegt ein Teilnehmer aus der Videokonferenz, ist er i.d.R. nach zwei Minuten wieder online.“ Und wenn nicht, könne es sein, dass die Patient*innen lieber präsent teilnehmen möchten. „Dann wird eben gewechselt.“

Dr. Moyo Grebbin

Diabetes Herbsttagung 2021

Versehentlich stummgeschaltet
Ebenso wie in einer Präsenzschulung können Patient*innen, die gerne sehr viel sprechen, auch online stören. Allerdings gibt es bei Videoformaten einen Trick, der im Kursraum nicht verfügbar ist:  „Ich hatte vor Kurzem die Situation, da bin ich ‚aus Versehen‘ auf das Stummschalten gekommen, weil eine Teilnehmerin nicht aufgehört hat zu reden“, berichtete Wiese. Als sie die Frau bat, das Gesagte nochmal zu wiederholen, kam sie genau auf den Punkt.

„Ich bin dann mal weg ...“
Gerade bei einer gewissen Stille an den anderen Bildschirmen hat Melanie Wiese für die Videoschulungen einen speziellen Tipp: „Ich tue dann gerne so, als hätte ich etwas vergessen.“ Sie lässt ihre Kamera und ihren Ton an, stellt eine Frage, und verlässt das Blickfeld mit den Worten „Ich bin gleich wieder da, Sie können ja schon einmal überlegen“. Der Effekt:  „In der Regel sind die am Schnattern, wenn ich zurückkomme.“ Das funktioniere nicht in der ersten Stunde, schränkte sie ein, aber in der zweiten oder dritten, wenn sich die Teilnehmer schon etwas kennengelernt haben.

„Einen Cheeseburger bitte“
Von der Schulungsgruppe, in der anfangs alle lange ihre Kameras ausgeschaltet hatten, habe in der zweiten Stunde zumindest die Hälfte mit Bild teilgenommen, berichtete Wiese – die anderen auch bis zum Ende der Schulung nicht. „Aber das lag bei einem wohl daran, dass er das immer auf der Autofahrt gemacht hat, denn ich habe irgendwann gehört: ‚Ich hätte gerne einen Cheeseburger und einen Kaffe mit Milch, bitte.‘“ Für Wiese ein Beleg für einen zentralen Vorteil der Videoschulung: Die Patient*innen können überall teilnehmen. „Und wenn er doch 50 % mitgenommen hat von dem, was er wissen muss, holen wir den Rest eben in der Einzelberatung nach, aber wir haben wieder jemanden erreicht“, so ihr Fazit. „Auch wenn er sich den Cheeseburger morgens um Viertel nach acht vielleicht nicht hätte gönnen sollen.“