Empowerment für die ganze Familie

Neue Schulung kann psychische Belastung von Angehörigen reduzieren

Berlin. Der Lebensalltag mit einer chronischen Erkrankung wie Diabetes ist nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihr familiäres Umfeld belastend. Der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) hat zu diesem Themenbereich ein neues Schulungsprogramm entwickelt. „DiaLife – zusammen leben mit Diabetes“ ist die erste Schulung für Familien und Lebenspartner*innen von Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes.

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Glukose messen und Kohlenhydrate berechnen, Ernährungs- und Bewegungsverhalten im Blick behalten, ggf. Insulin spritzen und gefährliche Hypoglykämien vermeiden: Den Patient*innen werden die Grundlagen des Diabetesmanagements in strukturierten Schulungen vermittelt, die ein integraler Bestandteil jeder Diabetestherapie sind. Bisher war jedoch kein Programm verfügbar, das sich spezifisch an Angehörige von Menschen mit Diabetes wendet. Diese Bedarfslücke will „DiaLife“ schließen.

Das neue Schulungsangebot des VDBD, das vom Bundesgesundheitsministerium gefördert wurde, richtet sich speziell an erwachsene Familienangehörige und Lebenspartner*innen von Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes. Es kann die Diabetesversorgung verbessern, wie die wissenschaftliche Evaluation des Programms mit 179 Angehörigen von Patient*innen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes ergab: Geschulte Angehörige verfügten nicht nur über mehr Diabetes-Wissen, sondern fühlten sich auch psychisch besser als jene ohne Schulung, erläuterte die wissenschaftliche Leiterin der Evaluationsstudie, Prof. Dr. Claudia Luck-Sikorski von der SRH Hochschule für Gesundheit, Gera. „Patientenschulung ist mehr als reine Wissensvermittlung, es geht um Empowerment“, ergänzte Dr. Gottlobe Fabisch, VDBD-Geschäftsführerin aus Berlin. Ziel jeder Diabetesschulung und -beratung sei „optimales Selbstmanagement“, denn die meiste Zeit müssten Betroffene mit ihrer chronischen Erkrankung allein zurechtkommen. Ihr soziales Umfeld bänden bisherige Schulungen in der Regel nicht ein, betonte sie.

Angehörige dürften „weder bevormundend sein noch jederzeit beim Selbstmanagement der Betroffenen mitreden“, betonte die VDBD-Vorsitzende Dr. Nicola Haller, Medizinpädagogin und Diabetesberaterin DDG aus Augsburg. Sie hat „DiaLife“ im Rahmen der Programmevaluation in einer Augsburger Schwerpunktpraxis bereits acht Wochen lang getestet – in zwei Gruppen mit Angehörigen von Menschen mit Typ-2-Diabetes und einer Gruppe mit Angehörigen von Menschen mit Typ-1-Diabetes. Die Diabetespatient*innen selbst waren nur am Anfang und am Ende des Schulungszyklus dabei.

Besonders häufig waren Rückfragen zum Essverhalten und zur Unterzuckerungsgefahr. Aber auch der Umgang mit Demenz oder Depressionen wurde ernsthaft diskutiert. „Ich kann meinen Mann kaum noch allein lassen, ohne dass etwas passiert“, formulierte eine Angehörige ihre Sorge.

Auch von ärztlicher Seite für gut befunden
Dazu erklärte Dr. Nicole Haller: „Die Kommunikation schwieriger Themen kann trainiert werden.“ Das zeigte auch das positive Feedback der Patient*innen und die Gesamtbeurteilung einer besseren Therapieunterstützung seitens der Ärzteschaft.

„Wer durch sein soziales Umfeld unterstützt wird, dem gelingt ein besseres Selbstmanagement seiner chronischen Erkrankung und dadurch verbessert sich die Lebensqualität“, betont Dr. Fabisch. Dass psychosoziale und emotionale Belastungen nicht nur von den Betroffenen selbst, sondern auch von deren Familien getragen werden, zeigte bereits 2013 die internationale DAWN2™-Studie mit mehr als 15.000 Teilnehmenden in 17 Ländern. Es kam zudem heraus, dass mit rund 75 % die große Mehrheit der Angehörigen von Menschen mit Diabetes noch nie an einer Schulung teilgenommen hatte.

Der VDBD fordert daher die Krankenkassen dazu auf, DiaLife in ihren Leistungskatalog aufzunehmen. Derzeit kann die Angehörigenschulung nur als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten werden.

Angela Monecke

Online-Pressekonferenz des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD)

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Besser verstehen, was Leben mit Diabetes bedeutet
„DiaLife“ ist in zwei Versionen verfügbar – für Angehörige von erwachsenen Menschen mit Typ-1- bzw.  Typ-2-Diabetes. Beide Schulungsversionen setzen sich aus fünf obligatorischen Basismodulen sowie einer Reihe von Wahlmodulen zusammen, die jeweils circa 90 bis 120 Minuten dauern. In den Basismodulen werden die Grundlagen des Diabetes, der Umgang mit Notfallsituationen, das Management der Insulintherapie und das Wissen zu Ernährung und Bewegung vermittelt.

Zwei dieser Basismodule behandeln die Themenbereiche „Kommunikationsstrategien“ und „Leben mit Diabetes nachempfinden“. Sie trainieren die Bewältigungsfähigkeiten der Teilnehmenden und fördern ihre sozialen Kompetenzen, unter anderem mit Rollenspielen. Die Wahlmodule umfassen Themen von „Demenz verstehen“ über „Folgeerkrankungen“ bis hin zu Sondersituationen wie etwa Schwangerschaft. In allen Modulen stehen die Interaktion mit den Schulungsteilnehmenden und der Austausch untereinander im Fokus.

Weitere Infos unter: vdbd.de